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IAA Mobility 2023 – Zeitenwende in der Mobilität

Verantwortlicher Autor: Hubertus C. Tuczek München, 15.09.2023, 14:48 Uhr
Presse-Ressort von: Hubertus C. Tuczek Bericht 8695x gelesen
Radikale Innovation: Der BMW Vision Neue Klasse
Radikale Innovation: Der BMW Vision Neue Klasse  Bild: Hubertus C. Tuczek

München [ENA] Am Sonntag ging die Internationale Automobilausstellung IAA Mobility 2023 mit dem Open Space in der Münchner Innenstadt zu Ende. Bei traumhaftem Spätsommerwetter war es ein vitales Festival der Mobilität. Aus zwei Gründen konnten die Besucher Zeugen einer Zeitenwende in der Elektromobilität sein.

Es war die zweite Auflage der „neuen IAA“ in München. Mit dem innovativen Konzept soll Mobilität im Ganzen erlebbar werden und die Messe sich von einer Auto Show zu einer Technologie- und Innovations-Show entwickeln. Gleichzeitig teilt sich die Messe in zwei Veranstaltungen, einmal der IAA Summit (Motto: „Experience Connected Mobility“) für Fachbesucher auf dem Messegelände in Riem und zum zweiten der Open Space in der Innenstadt, der für alle Besucher kostenfrei zugänglich ist. Die Hallen auf dem Messegelände waren am Pressetag gut gefüllt und die Durchmischung von Herstellern und Zulieferern trägt dem Umstand Rechnung, dass die Innovationen für die Mobilität von morgen zunehmend aus der 2. Reihe der globalen Systemlieferanten kommen.

IAA Mobility Summit
IAA Open Space - Volkswagen am Odeonsplatz
IAA Open Space - Mercedes-Benz in der Residenz

Die Batterie ist das teuerste Bauteil bei einem Elektrofahrzeug und gleichzeitig maßgeblich für das kaufentscheidende Kriterium der Reichweite. Von daher erfreute sich die Pressekonferenz von CATL großer Aufmerksamkeit, auf der der chinesische Batteriehersteller seinen neuen Akku ShenXing vorstellte. Die LFP-Batterie basiert auf Lithium-Eisenphosphat und kommt ohne seltene Erden aus. Sie soll 400km Reichweite in 10 Minuten Ladezeit und 700 km insgesamt ermöglichen. Dies wird möglich durch eine Ladeleistung von 4C. Dies bedeutet zum Beispiel laden mit bis zu 300 kW bei einer 75 kWh großen Batterie. Verfügbar für die Serienproduktion sei sie schon im nächsten Jahr. Das sind die Innovationen, die die E-Mobilität voranbringen.

Pressekonferenz von Bosch

Stefan Hartung, CEO der Robert Bosch GmbH, präsentierte u.a. die neue ADAS (Advanced Driver-Assistance Systems) Integration Platform, einen zentralen Fahrzeugrechner für Fahrerassistenz und automatisiertes Fahren als universelle IT-Plattform. Für Fahrzeugrechner sehe er schon 2026 einen Umsatz von 3 Mrd. Euro. Damit offenbart der weltweit größte Zulieferer seine erfolgreiche Transformation von Diesel-Technologie zur Elektromobilität als Kerngeschäft. Es gehe um ein software-definiertes und menschenzentriertes Fahrzeug in einem Eco-System der Mobilität insgesamt.

Für die nächsten Fahrzeuggenerationen in der 2. Hälfte des Jahrzehnts sieht er eine Verdreifachung von SW-Anwendungen und eine Verzehnfachung von Cloud-Anwendungen voraus. 38.000 SW-Entwickler arbeiten bei Bosch an diesen Zukunftsthemen. Mit Infotainment-Systemen wachse Bosch jährlich um 25% - doppelt so schnell wie der Markt. Der Umsatz mit der Elektromobilität insgesamt wachse auf 6 Mrd. in 2026, wobei auch der wachsende Bedarf an Recycling von Batterien eine Rolle spiele. Das passende Motto dazu: Let´s move #LikeABosch!

Auf der Herstellerseite ist der BMW Vision Neue Klasse zweifellos eines der Highlights der IAA 2023. Er soll die Mobilität in den Bereichen Elektrifizierung, Digitalisierung und Zirkularität neu definieren. Die Studie ist seriennah und gibt einen Ausblick auf den kommenden elektrischen Dreier. Auf dieser Basis sollen 6 Modelle in ersten 24 Monaten ab 2025 auf den Markt kommen. Die Produktion beginnt im neuen Werk im ungarischen Debrecen, 2026 im Werk München und Shenyang, China, 2027 in San Luis Potosi, Mexiko. Den Begriff der „Neuen Klasse“ gab es in der Historie von BMW schon einmal. Exakt vor 60 Jahren wurde auf der IAA 1963 der BMW 1800 vorgestellt, der stärkere Bruder des 1500. Mit der damaligen Neuen Klasse fuhr BMW aus der Krise.

Mit der vollelektrischen Neuen Klasse erfindet sich BMW neu und macht in Design und Technologie einen großen Sprung nach vorne. Laut Adrian van Hooydonk, Leiter BMW Group Design, wird praktisch eine Modellgeneration übersprungen. Es kommt ein 800-Volt-Bordnetz zum Einsatz und mit der neuesten Batterietechnologie sollen 30 Prozent mehr Reichweite, 30 Prozent schnelleres Laden und 25 Prozent mehr Effizienz erreicht werden. Der Akku baut auf Lithium-Ionen-4695-Rundzellen von dem chinesischen Zellenproduzenten EVE auf, die länger als die 4680-Zellen von Tesla sind und damit eine höhere Energiedichte von 260 wh/kg erreichen. In 12 Minuten soll damit eine Batterieladung von 10% auf 80% erreicht werden.

Im Innenraum soll es ein immersives digitales Nutzererlebnis geben, bei dem reale und virtuelle Welten verschmelzen. Herzstück ist das BMW Panoramic Vision, mit dem Informationen über die gesamte Breite der Windschutzscheibe projiziert werden. Ergänzt wird es mit einem Central Display, dessen Inhalte mit einer einfachen Geste auf das BMW Panoramic Vision verschoben werden können. Durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen, dem vollelektrischer Antrieb Gen 6 und eine ressourcenschonende Produktion wird der CO2-Footprint über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge reduziert. „Mehr Zukunft geht nicht“, ist Frank Weber, Entwicklungsvorstand der BMW AG, überzeugt.

Der neue vollelektrische MINI Cooper

Und in der Tat erleben wir hier eine technologische Zeitenwende in der Elektromobilität, da die Begrenzung von Reichweiten und langen Ladezeiten in Zukunft keine Rolle mehr spielt. Aktuell bietet BMW den neuen vollelektrischen i5 ebenso wie Plug-in-Hybrid-Modelle der neuen BMW 5er Reihe an. Ebenso wurde im Open Space am Max-Joseph-Platz der neue vollelektrische MINI Cooper, der in Kooperation mit Great Wall entwickelt wurde, vorgestellt. Das zentrale Rundinstrument ist nun einem zentralen runden Bildschirm gewichen.

Mercedes-Benz Concept CLA
... vollelektrisch
Iconic Luxury
Mercedes-Benz Vision One-Eleven

Bei so viel Innovation kann Mercedes-Benz nicht hintenanstehen. Mit einer aufwändigen Lichtshow in dem großen, roten Würfel in der Residenz wurde das Concept CLA vorgestellt. Es steht auf der neuen Mercedes Modular Architecture (MMA) für eine neue Generation von Elektrofahrzeugen und soll schon ab 2024 in Form eines neuen Einstiegsmodells in der 3-er Klasse mit 4 verschiedenen Varianten auf den Markt kommen. Die neue Technologie soll Reichweiten von über 750 km und einen Verbrauch von 12 kWh/100km ermöglichen. Das ist ein vergleichbarer Technologiesprung wie ihn BMW angekündigt hat. Der Innenraum folgt dem Konzept der Iconic Luxury. Mit dem Mercedes-Benz Vision One-Eleven wurde eine wunderschöne Studie vorgestellt, die an den C111 anknüpft.

BYD Seal
Interior mit drehbarem Bildschirm

Stellvertretend für die chinesischen Hersteller sei hier BYD erwähnt. BYD – ausgesprochen Build Your Dream - mag nicht allen bekannt sein, ist aber der weltweit größte Hersteller von Elektrofahrzeugen und der erste, der über 5.000.000 NEVs ausgeliefert hat. Bei elektrischen Bussen ist man schon seit Jahren in 52 Ländern vertreten. BYD ist mit einer kompletten Fahrzeugpalette nach München gekommen, die seit 2016 von dem deutschen Designer Wolfgang Egger, ehemals Alfa Romeo und Audi Chef-Designer, gezeichnet werden. Die Inspiration für das Design käme vom Meer/Ocean wie Wolfgang Egger auf der Pressekonferenz erläuterte. BYD ist gleichzeitig auch Batteriehersteller, was Vorteile bei der Integration dieses entscheidenden Bauteils bedeutet.

BYD Han Interior

Der BYD Seal tritt ebenfalls in der 3er-Klasse an und kann als Tesla 3 Fighter bezeichnet werden. Er kommt als erster mit dem Cell-to-Body (CtB) Batteriekonzept, bei dem die Zellen in Form von Blades in die Struktur des Fahrzeuges integriert werden und somit zur Steifigkeit der Karosse beitragen. In der Dual-Motor Variante kommt er auf 530 PS und mit einer 82,5 kWh Batterie auf 520 km Reichweite. Der Preis liegt bei knapp über 50.000 Euro. Eine besondere Funktion: Der zentrale Bildschirm lässt sich per Knopfdruck vom Lenkrad aus drehen. Die Verarbeitung wirkt innen wie außen hochwertig. Eine Testfahrt bestätigt den positiven Eindruck. Eine Klasse höher tritt der HAN gegen die Mercedes E-Klasse an, zu der man Ähnlichkeiten erkennen kann.

Damit wären wir bei dem zweiten Grund für die Zeitenwende in der Elektromobilität. Die chinesischen Hersteller drängen massiv auf den europäischen Markt zu deutlich günstigeren Preisen. BYD alleine will ab Oktober 5 Modelle in Europa anbieten. Das ist eine selbstbewußte Marktoffensive, wie man sie nur selten sieht. Die deutschen Hersteller sind gezwungen zu reagieren, was die Elektromobilität insgesamt günstiger machen wird.

VW Bus T1
VW ID.BUZZ
Camperfreuden

Der Volkswagen Konzern zeigte seine komplette Palette von Elektrofahrzeugen vom ID.3 bis zum ID.7 und - nicht zu vergessen - dem ID.BUZZ, mit dem man an das Lebensgefühl der 1960er Jahre anknüpfen möchte. Der Star des Messestandes war jedoch eine Studie für ein GTI-Modell auf der Basis des künftigen ID.2all. Hierfür gibt es Ideen für coole Gadgets wie zum Beispiel digitale Anzeigen, die die Auswahl für Instrumentendarstellungen nach den verschiedenen Golfgenerationen erlauben. Da glänzen bei dem ehemaligen Golf I GTI-Fahrer die Augen. Weiterhin investiert der VW-Konzern in eine e-fuel Fabrik in Chile, um für Bestandsfahrzeuge eine CO2-neutrale Lösung anbieten zu können.

Porschestand mit historischem 911er
911 Jubiläumsmodell
Porsche Messestand
Porsche Taycan bei Testfahrt mit dem Autor

Der Einzige, der noch ein Verbrenner-Auto zeigen darf, ist Porsche. Sie haben aber auch einen guten Grund, denn der 911er wird 60 Jahre alt. Zelebriert wird der runde Geburtstag mit einem Messestand im Stil der Silhouette eines 911ers und es gibt auch ein gewichtsoptimiertes Jubliäumsmodell, bei dem sich der Käufer eine Startnummer zwischen 01 und 99 aussuchen kann. Mit dem Modell Taycan können sie für sich beanspruchen, das Porsche-Feeling in das Elektrozeitalter herübergerettet zu haben. Er besitzt schon heute das leistungsstarke 800 Volt Bordnetzsystem und verfügt über eine überragende Fahrdynamik, die nicht leicht zu kopieren ist.

Fliegendes Auto von PAL-V
Heckansicht mit ausgeklapptem Rotor
Spezifikation PAL-V

Es gäbe noch viel zu berichten, etwa von vielen anderen Fahrzeugen, den Herstellern von Micromobilität, den Anbietern von E-Bikes, den Diskussionspanels, den Testmöglichkeiten, Anbietern von Ladeinfrastruktur und vielen weiteren Innovationen von Zulieferern. Die IAA bespielt ein großes Feld, das sich in einer Woche kaum komplett abdecken lässt. Herausgegriffen seien noch 2 innovative Fortbewegungsmittel. Zum einen das fliegende Auto von PAL-V, vorgestellt in der Motorworld, wo auch die erste Verkaufsniederlassung eingerichtet wurde. Zum zweiten die Hyperloop-Kapsel, ein Forschungsprojekt der Technischen Universität München TUM, das auf einer Teststrecke unterwegs ist und zukünftig Fortbewegung mit 800 bis 900 km/h bieten soll.

Alles in allem eine sehr gelungene Messe, die viel Interaktion für die Fachbesucher und das interessierte Publikum geboten hat. Bei dem wunderbaren Spätsommerwetter haben die Tage im Open Space mit flächendeckender kulinarischer Versorgung richtig Spaß und Lust auf Mobilität in welcher Art auch immer gemacht. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Messekonzept sich langfristig durchsetzt.

Bei allen positiven Aspekten bedeutet die Zweiteilung in Messegelände und Innenstadt den doppelten Aufwand bei den Herstellern, was die Kosten nach oben treibt. Zum anderen muss man bei einer internationalen Automobil Ausstellung mit der Bedeutung der IAA auch erwarten, dass im Kern nicht nur deutsche und chinesische, sondern zum Beispiel auch die Marken aus Japan und Korea die Wichtigkeit dieser Messe für sich sehen. Wir konnten auf jeden Fall viele interessante Eindrücke mitnehmen und freuen uns schon jetzt auf die IAA 2025.

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